Die Wissenschaftlichkeit der Geisteswissenschaften

Die Bezeichnung „Geisteswissenschaft“ steht hier für den Dualismus von Geist und Natur. Diese Unterscheidung ist hauptsächlich in Deutschland gebräuchlich. Aber auch hier wird mittlerweile mehr zwischen „Sprach- und Kulturwissenschaften“, „(empirischen) Sozialwissenschaften“ und „Naturwissenschaften“ unterschieden.

Sobald akzeptiert wird, dass in der Kommunikationswissenschaft menschliche und zwischenmenschliche Phänomene behandelt werden, muss ein Institut für Kommunikationswissenschaften klassische „geisteswissenschaftliche“ Fächer wie Sprach- und Kulturwissenschaften, aber auch Philosophie und Erkenntnistheorie betreiben und in der Lehre anbieten.

Geisteswissenschaften als „verstehende“ Wissenschaften


Wilhelm Dilthey

Abgrenzung von Geistes- und Naturwissenschaften im Anfang des 20. Jahrhunderts


Wilhelm Dilthey verwendete die Unterscheidung von Geistes- und Naturwissenschaften zur Abgrenzung von Methoden: Naturwissenschaft sei die Wissenschaft der Erklärungen durch die Angabe von Gesetzen (den Naturgesetzen), Geisteswissenschaft sei dagegen die Wissenschaft der sinnhaften Phänomene der Lebenswelt, die zunächst ein Verstehen erfordern, um überhaupt als Phänomene zu gelten. (Siehe dazu: Lutz-Bachmann, M.: „Dilthey: Plädoyer für die Geisteswissenschaften“, Brockhaus multimedial 2007 (Premium-Ausgabe).

Problemstellung und Problemlösung

In manchen Lehrveranstaltungen scheint die Einstellung vorherrschend zu sein, dass ein „Verstehen“ der Phänomene ausreicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in den „Geisteswissenschaften“ keine Probleme mehr gestellt und gelöst werden sollen:

Wissenschaft besteht in einem Dreischritt aus Beobachten (Analysieren), Verstehen (Regelmäßigkeiten bilden, Erklären) und Probleme stellen und lösen. Dies gilt auch für die so genannten „Geisteswissenschaften“.

Dieses Denken ist auch in Unternehmen oder Behörden gefragt. Das Studium der Kommunikationswissenschaften soll auf Berufe vorbereiten, die mit Kommunikation zu tun haben. Mit welchem Satz würden Sie sich eher beim WDR oder bei der Lufthansa bewerben: „Ich kenne die Thesen von Jean Baudrillard.“ oder „Ich habe diese und jene Theorie und kann Ihnen deshalb eine Strategie vorschlagen, wie Sie diese und jene Zielgruppe erreichen können.“?

Falsche Erwartungen über die Wissenschaftlichkeit des Faches und fehlende Problemstellungen machen die Sprach- und Kulturwissenschaften wie auch die Sozialwissenschaften für einige Studierende zu einem schwierigeren Unterfangen, als sie vielleicht erwartet hatten. Entsprechende Anforderungen können nur mit einer besonderen Motivation erfüllt werden. Hier sind auch die Lehrenden gefordert.