Zum Verhältnis zwischen Theorie und Praxis

Verbreitete Auffassung


Theoretiker und Praktiker

Eine weit verbreitete Ansicht: Theoretiker erklären, Praktiker lösen Probleme


Im Vollzug von Kommunikation in real-time kann nicht oder nur sehr wenig reflektiert werden über das, was gerade getan wird. Erst hinterher, im Nachdenken über abgelaufene Gespräche, wird oft klar, was alles hätte anders laufen können.

Oftmals wird nur dieses bewusste Nachdenken und Sortieren als Theoriebildung angesehen. Kommunikationstheorie wäre dann eine Zusammenstellung von Beobachtungen und Beschreibungen, das mit dem Vollzug von Kommunikation wenig zu tun habe. Diese Auffassung erscheint häufig in der folgenden Weise:

1. Kommunikation wird als Informationsübertragung dargestellt. Dies hilft beim alltäglichen Kommunizieren in der Tat nicht, denn das ist eine Metapher, die das menschliche Kommunizieren überhaupt nicht erfasst.

2. In vielen Kommunikationsseminaren wird erst eine „Theorie“ vorgestellt, und dann geht man „hinein in die Praxis“ – nur haben die Übungen wenig mit der Theorie zu tun, die anfangs vorgestellt wurde.

Ein weiter gefasster Theoriebegriff

Theorien befähigen dazu, in neuen, noch nie da gewesenen Situationen erfolgreich zu handeln. Dies geschieht im Alltag genauso wie in der Wissenschaft.

Zwei Punkte können beim Verhältnis von „Theorie und Praxis“ beachtet werden. In beiden Punkten wird der Theoriebegriff weiter gefasst:


Keine Trennung

Theorie und Handeln nicht voneinander trennen


1. Theorie soll als etwas angesehen werden, das zusammen mit dem Handeln entsteht. Theorie verändert Handeln, und Handeln verändert Theorie. Das ist das, was allgemein als „Erfahrung machen“ bezeichnet wird.


Nicht nur Bewusstsein

Auch das Vorbewusste, Unreflektierte in den Theoriebegriff aufnehmen.


2. Auch die vorbewussten oder unbewussten Anteile des Handelns und der Theorie sollen beachtet werden. Das heißt für Kommunikation: Individuelle Kommunikationstheorien wirken unbewusst im Moment des Vollzuges von Kommunikation. Jeder, der erfolgreich kommuniziert, tut dies auf der Basis einer individuellen Kommunikationstheorie.

Kaum jemand wird seine individuelle Kommunikationstheorie aus dem Stand heraus in Worte fassen können. Das heißt jedoch nicht, dass er oder sie keine hätte. Kommunikationstheorie gibt den Spielraum vor, was in konkreter Situation möglich ist oder nicht.

Für Kommunikationsseminare würde dies bedeuten, dass auf jeden Fall viel „Praxis“ vorkommen sollte, jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Erst die Praxis, dann die Theorie (mehr dazu hier auf dieser Webseite). Die Theoriebildung geschieht bei den Seminarteilnehmern gleichsam von selbst. Dann darf auch die Frage gestellt werden, inwiefern das Nachrichtenviereck von Schulz von Thun beispielsweise für die kommunikativen Abläufe im Sekretariat hilfreich sein kann oder auch nicht.

Skizze zur Theoriebildung