Theorie und Handeln können als untrennbar miteinander verbunden angesehen werden. Handeln geschieht auf der Basis von Theorien, und Theorien werden auf der Basis von Handeln gebildet, stabilisiert und verändert.
Ohne Probleme: Langeweile
Theorie ohne vorangegangene Problemstellung kann bedeuten: Der Bezug zur Wirklichkeit (der Sinn) fehlt. Die typischen Folgen einer solchen Sinnlosigkeit für Studierende oder Schüler können sein: Langeweile und Abschalten.
Der Lehrende ist den Schülerinnen oder Studenten in der Theoriebildung seines Faches voraus. Also liegt es nahe zu denken, dass die Studierenden zuerst die Theorien lernen, metaphorisch gesprochen: dass sie zuerst das Werkzeug kennen lernen, bevor sie später mit diesen Theorien die im Beruf auftretenden Probleme lösen können. Oftmals werden darüber jedoch die Probleme vergessen, die mit Hilfe der Theorien gelöst werden sollen.
Wenn die Theorielastigkeit in der Lehre zu weit geführt wird, wird eine Gesetzmäßigkeit nach der anderen, ein Klassiker nach dem anderen durchgenommen. Es fehlen Problemstellungen, mit denen Bezüge zur Wirklichkeit hergestellt werden. Mit dem Verlust dieser Bezüge geht auch der Sinn verloren. Der Unterricht wird für viele langweilig, sie folgen ihm nicht mehr.
Erst die Probleme, dann die Theorie
Erst das Ziel, dann der Weg – die Theoriebildung folgt gleichsam von selbst. Es lässt sich auch sagen: Erst die Philosophie, dann die einzelnen Lösungen.
Adäquate Theoriebildung entsteht aus einer Konfrontation und auch Thematisierung mit der aktuellen Wirklichkeit entsteht. Das würde für die Lehre bedeuten, dass erst die Probleme gestellt werden und dann die problemlösende Theorie gemeinsam gebildet wird. Deshalb könnte ein Leitspruch lauten: „Wir möchten, dass Sie Probleme haben!“
Der aktuelle Wikipedia-Artikel über Integralrechnung
enthält in den einleitenden Sätzen für den Laien keine ersichtliche wirklichkeitsbezogene Problemstellung. Die Leserin erfährt nicht, inwiefern Integralrechnung ihre Wirklichkeit berühren könnte.
Ähnliche Situationen werden in der Reportage Die Deutschstunde sichtbar (Theo Teucher, 3sat, 9. Sept. 2007, 21:15). Die Reportage zeigt das Scheitern eines Deutschunterrichts an fehlenden Bezügen zu den Problemen der Schüler. Es handelt sich um ein Kreuzberger Gymnasium mit laut Angaben 91% Schülern „mit Migrationshintergrund“. ( Zu einer Webseite über den Film geht es hier
.)